Bewegte Bilder in der Zeitenströmung

Die Dresdner Neustadt – wer kennt sie nicht? Gerade befinde ich mich am Albertplatz, aber mein heutiges Ziel liegt trotzdem nicht hier. Ich laufe zur Haltestelle, genauer gesagt zu Steg 2 und warte dort auf meine Bahn. Ob ich die Bahnlinie 7 in Richtung Weixdorf oder die Linie 8 in Richtung Hellerau nehme, spielt in dem Falle keine Rolle. Dadurch, dass ich mit zwei verschiedene Bahnen fahren kann, muss ich auch nicht lange an der Haltestelle warten.
Auf meinem Weg fallen mir schon einige Plakate zu meinem heutigen Vorhaben auf.
Es dauert nicht lange, nur knapp 7 Minuten und ich steige an der Haltestelle Heeresbäckerei (Stadtarchiv) aus. Meinem Ziel, der Zeitenströmung, nähere ich mich, als ich gerade von der Haltestelle kommend die Straße überquere. Diese befindet sich direkt gegenüber der Heeresbäckerei.
Heute ist ein typischer Herbsttag – verregnet und nebelig. Normalerweise ist das eher ein Tag an dem man zu Hause bleiben würde. Vor mir erstreckt sich das Gelände der Zeitenströmung. Mir fällt auf wie groß das Gelände ist. Hierbei handelt es sich um ein Gewerbezentrum, es ist aber tatsächlich weitaus spannender als es klingt. Die Zeitenströmung hat nämlich eine vielseitige Vergangenheit, wurde bereits früher zu unterschiedlichsten Zwecken genutzt, was sich auch heute nicht ändern soll. (Weitere Infos zu der damaligen und auch heutigen Nutzen findest du hier.)
Es hat geregnet. Der Boden unter mir ist nass und auf meinem Weg bin ich dabei, zahlreichen Pfützen und Kastanien auszuweichen. Auch die Blätter an den Bäumen beginnen sich orange-gelblich zu verfärben.
Mein heutiges Ziel ist eine Ausstellung. Ich biege am sogenannten „Times Square“ rechts ab, vorbei an einer Ausstellung für Oldtimer. Und du hast richtig gehört, der Platz trägt wirklich den Namen Times Square, obwohl wir uns nicht in New York befinden. Für das gesamte Gelände der Zeitenströmung gilt: die Namensgebung ist sehr kreativ, ein weiteres Beispiel wäre der Niagara Platz. Auf der rechten Seite in Halle 7B befindet sich schließlich der Eingang zur Monet2Klimt-Ausstellung.

http://zeitenstroemung.de/uebersicht/#

Bereits am Eingang bin ich positiv überrascht: Wir, Jugendliche unter 19 Jahren zahlen nur den Kinderpreis! Da Sonntag ist, bezahle ich also 7€. Jedoch gibt es für die Sparfüchse den Tipp: An Wochentagen, also von Dienstag bis Freitag, muss man nur 6€ bezahlen und Freitag ab 19 Uhr sogar nur die Hälfte. Gegen 3€ gibt es doch wahrlich nichts einzuwenden.
Um in die Ausstellung zu gelangen, schiebt man zwei Vorhänge zur Seite. Ich betrete den Raum und bin als erstes ein wenig schockiert: das ist ja nur ein Raum! Ich wusste ja, dass in der Ausstellung Bilder animiert sind, nur habe ich sie mir dennoch größer vorgestellt.
Die anfängliche Enttäuschung ist jedoch schnell verflogen, denn in diesem Raum gibt es nur wenige Bänke, weshalb sich viele Leute auf den Boden gesetzt haben. Ich tue es ihnen gleich und automatisch ist die Stimmung aufgelockert. Ich verspüre sofort Lust, mir die multimediale Kunstausstellung anzuschauen. Klassische Musik aus der jeweiligen Epoche lädt außerdem dazu ein, seine Seele baumeln zu lassen und in die Geschichten der Kunstwerke einzutauchen.
Normalerweise sprechen mich eher Ausstellungen zu modernerer Kunst an, wie zum Beispiel Magic City, welche Anfang des Jahres in der Zeitenströmung zu sehen war. Bewundern konnte man dort moderne Straßenkunst in Form von Graffiti und zahlreichen Kunstinstallationen. Und obwohl die Monet2Klimt-Ausstellung die Kunst aus vergangenen Jahrhunderten von den Künstlern Monet, Klimt und Van Gogh zeigt und die Musikuntermalung auch nicht gerade die modernste ist, finde ich Gefallen daran. Die Umsetzung ist so kreativ und erfrischend anders, dass man Lust auf mehr bekommt. Zu sehen sind die Kunstwerke nämlich nicht auf die klassische Art und Weise – in altmodischen Rahmen an einer weißen Wand – sondern auf bis zu fünf Meter hohen Leinwänden, und wie schon eben erwähnt, in animierter Form.
Organisiert wurde die Ausstellung von der Renaissance GmbH, welche bereits zahlreiche Erfahrungen mit fortschrittlichen Techniken und digitaler Darstellung hat. Ziel der Ausstellung ist es, Leute für klassische Kunstwerke zu begeistern, die damit eher weniger am Hut haben. Und bereits in den ersten Minuten der Vorstellung bekomme ich das Gefühl, dass sie diesem Vorhaben gerecht werden.
Obwohl die Kunst von verschiedenen Künstlern mit unterschiedlichen Malstilen gezeigt wird, passt doch alles irgendwie zusammen.
Oftmals wird der Raum abgedunkelt und sobald der erste Strich an der Wand entsteht, beginne ich Vermutungen aufzustellen, welches Kunstwerk wohl daraus entstehen wird.


Spannend wird die Ausstellung durch die 360° Projektion. Wenn mir die eine Seite also gerade mal uninteressant erscheint, drehe ich mich einfach um, denn da wird meistens ein anderes Kunstwerk in Szene gesetzt.
Durch die Art, wie die Werke präsentiert werden erhalte ich die Möglichkeit, durch die Augen der Künstler selbst zu sehen, und dabei zuzuschauen wie das Bild Schritt für Schritt entsteht und aus welchen Elementen es jeweils aufgebaut ist. Die Ausstellung wird deshalb zu einem einmaligen Erlebnis, da die Künstler eigentlich unter sich unvereinbar erscheinen, ebenso wie die Kunstwerke mit der modernen Umsetzung der Darstellung. So werden nicht nur unterschiedliche Künstler miteinander vereint, sondern auch verschiedene Erlebnisweisen.
Noch spannender ist die Betrachtung der Kunstwerkprojektion aus verschiedenen Perspektiven. Auf der einen Seite des Raumes werden sogar die Bilder auf dem Boden weitergeführt. Stelle ich mich also hin, wirkt das ganze Bild anders auf mich. Dies ermöglicht mir, die Kunstwerke genauer und auch auf unterschiedlichste Weise zu entdecken.
In dieser Ausstellung werden die Gemälde häufig bis auf ihre Einzelteile auseinander genommen, so achte ich viel mehr auf die Details und bekomme eine andere Sichtweise als beim Betrachten von Gemälden in einer herkömmlichen Ausstellung. Typische Werke, die man bereits etliche Male gesehen hat, wie zum Beispiel die Sternennacht von Vincent van Gogh, der Kuss von Gustav Klimt oder die Dame im Garten von Claude Monet wirken dennoch anders auf mich und ich entdecke Bestandteile, die ich vorher noch nie wahrgenommen habe. Bei dem Kuss von Klimt bemerke ich zum ersten Mal all die Farben, die in dem Gemälde verwendet worden. Für mich hatte das gesamte Bild immer diesen güldenen Ton, der mich an die herbstlichen Blätter auf dem Weg zur Zeitenströmung erinnert. Und dann entdecke ich heute unten in der Ecke des Kunstwerkes das grün. Und auch generell ist das Bild viel farbenfroher als ich immer dachte. Auch nehme ich heute zum ersten Mal die Blumenranken wahr, genauso wie all die anderen Formen die Klimt genutzt hat, wie die Kringel, Kreise, Punkte und Rechtecke. Und so ergeht es mir bei jedem einzelnen Bild: nie wird es langweilig und durchgehend nehme ich neue Elemente wahr. Oftmals beginnt die Projektion eines Kunstwerkes durch Einzelteile. So werden bei dem Kuss beispielsweise die Kreise allein in Szene gesetzt und eine Nahaufnahme der Köpfe gezeigt.


Ich bekomme das Gefühl, die Bilder seien zum Leben erweckt worden und diese Vorstellung gefällt mir. Bei einigen Bildern fühlt es sich sogar so an, Teil des Geschehens zu sein. Besonders faszinierend finde ich die Stellen, an denen sich die Objekte von den Betrachtern weg bewegen oder auf sie zukommen. Irgendwie erinnert mich das an einen Kinobesuch mit 3D-Film. Bei Klimts Gemälde „Der Tod und das Leben“ entsteht zunächst das Leben und dann der Tod aus einzelnen Strichen. Anschließend wird der Totenkopf heran gezoomt und ich tauche durch die eine Augenhöhle sozusagen in den Tod hinein und nun liegt der Fokus auf den Kreuzen, welche im Gesamtwerk ein Detail auf dem Gewand des Todes sind. Nun tritt der Effekt ein, den ich soeben beschrieben habe: die Kreuze kommen auf mich zu.


Die 45 Minuten dauernde Vorstellung vergeht wie im Fluge und ich verspüre noch gar nicht das Verlangen, aus der Ausstellung zu gehen. Ein paar Minuten bleibe ich noch. Auch die anderen Besucher machen keinerlei Anstalten aufzustehen. Schließlich rappeln wir uns doch auf, jedoch dauert das Verlassen des Raumes weitere fünf Minuten. Keiner von uns will die Vorstellung wirklich enden lassen.
Als ich mich schließlich doch wieder vor dem Gebäude befinde, erkunde ich das Gelände ein wenig. Ich entdecke eine weitere Ausstellung – Die Terrakottaarmee & das Vermächtnis des Ewigen Kaisers – sicher auch sehenswert. Bis jetzt wurde ich schließlich noch bei keiner Ausstellung enttäuscht.
Ich komme wieder am „Times Square“ an und dort fällt ein Restaurant in meinen Blickwinkel, in welches ich mich liebend gerne setzen würde, da es sehr einladend aussieht. Als ich jedoch näher komme, bemerke ich, dass es geschlossen hat. Meine Freunde und ich hätten wohl eher in der Zeitspanne von Montag bis Samstag zwischen 18:00 Uhr und 23:00 Uhr kommen sollen.
Davon lassen wir uns jedoch nicht unterkriegen, denn durch den guten Bahnanschluss finden wir uns ganz schnell in der Neustadt wieder, setzen uns in ein kleines Café und lassen den schönen Tag Revue passieren. Am Ende des Tages sind wir uns alle einig: auch an regnerischen Tagen hat Dresden so einiges zu bieten. Das Wetter ist also keine Ausrede dafür, nichts in Dresden erleben zu können. Um ehrlich zu sein, haben mich einige Werke der Ausstellung aufgrund ihrer Farben, wie zum Beispiel „Der Lebensbaum“ von Klimt noch mehr in Herbststimmung gebracht. Ein positiver Nebeneffekt: nach der Ausstellung war ich nicht mal mehr sauer auf das Wetter sondern habe, ähnlich wie in der Ausstellung sogar auf die Details meiner Umwelt geachtet. Ob man kunstinteressiert ist oder nicht – diese Ausstellung muss man gesehen haben, Zeit dafür ist noch bis Ende diesen Jahres.

Ruth

https://monet2klimt.de/
http://zeitenstroemung.de/

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